In der Wirtschaft haben es viele Unternehmen bis heute versäumt, einen Pool an weiblichen Talenten aufzubauen, aus dem sie Frauen für Vorstands- und ähnliche Führungsposten hätten rekrutieren können. Während in den USA Konzerne längst von Frauen geführt werden, titelt die Allbright-Stiftung in 2019 berechtigt „Schlusslicht Deutschland“, da wir uns mit der Türkei und Indien das untere Ende mit 10 % Führungsfrauen in den börsennotierten Unternehmen teilen. Zeitgleich übertraf die Frauenanzahl in Vorständen in 2019 laut Allbright erstmals den „Thomas-Kreislauf“ (nach dem der Anteil der Männer mit den vier Vornamen Stefan, Markus, Michael und Thomas von der Gesamtzahl von Frauen in Vorständen übertroffen worden ist). Aus der Wirtschaft dagegen ist vielfach die Klage zu hören, es gäbe keine qualifizierten Frauen.
Das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Die Auswirkungen der Frauenquote werden seitdem kontrovers diskutiert: 2018 waren 26 % der Führungskräfte der obersten Leitungsebene in der Privatwirtschaft Frauen. Auf der zweiten Führungsebene lag ihr Anteil bei 40 %. Beide Werte haben sich, verglichen mit 2016, nicht verändert, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei einer repräsentativen Befragung von 16.000 betrieben feststellte, so dass die Quotenregelung nicht auf die operativen Führungsebenen ausstrahlt. Frauen sind selbst dann in Gremien unterrepräsentiert, wenn sie das Mehrheitsgeschlecht in der Belegschaft stellen (Baumann et al. 2017).
Im Vergleich zu Frauen in (mittel-) großen Unternehmen, die häufig patriarchalisch geprägte Strukturen und männliche Monokulturen aufweisen, können Frauen in eigenen Gründungen direkt die Führung übernehmen. In Deutschland ist die Anzahl der Gründerinnen zwar in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen (15 %), liegt aber weiterhin vergleichbar mit internationalen Hotspots wie dem Silicon Valley (16 %), London (15 %) oder Singapur (12 %). Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesverband Deutsche Startups im kürzlich publizierten Female Founders Monitor (2019). Die Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting differenziert im selben Jahr diese Zahlen weiter aus: bei 10 % der Startups sitze nur eine Frau im Gründungsteam und nur 4 % seien so genannte „Women-only-Startups“ in Deutschland, die allein von Frauen gegründet wurden.
Wenn Frauen gründen, besteht folglich der größte Teil der Firmen aus Solo-Unternehmerinnen, die keine oder bis fünf Mitarbeiter:innen zählen. Möglicherweise besteht ein Grund darin, dass Frauen weniger Venture Capital erhalten. Boston Consulting geht davon aus, dass Gründerinnen in Deutschland 25 % weniger Kapital von Investor:innen erhalten als ihre männliche Konkurrenz und es um 18 % weniger wahrscheinlich für sie ist, überhaupt an eine Finanzierung zu gelangen. Im Durchschnitt erhalten weiblich geführte Startups 3,1 mal weniger Kapital als Startups in männlicher Hand und werden in der Anfangsphase 16,4 mal niedriger bewertet (Abouzahr et al. 2018). Women-only-Startups haben eine um 18 % geringere Aussicht auf Risikokapital als von Männern oder gemischten Teams gegründeten Startups (Schnor 2019). Nur einer der drei größten deutschen Investitionsfonds hat eine Frau in den obersten Entscheidungsgremien. Als Ursache wird ein weiterer Grund genannt: Frauen gründeten seltener Tech-Firmen mit skalierbaren Geschäftsmodellen, die für Investitionen attraktiv sind, und versuchten häufiger, aus eigenen Kapitalreserven zu wachsen.
Boston Consulting (von Blazekovic 2019) berechnet hypothetisch: Die globale Wirtschaft könnte um 4,5 Billionen EUR wachsen, würden Frauen zu gleichen Teilen wie Männer als Unternehmerinnen am Wirtschaftsgeschehen teilnehmen. Deutschland allein entgehe eine Summe von bis zu 150 Mrd. EUR. Die Studie kommt sogar zu dem Befund, dass Frauen mit ihren Startups im Durchschnitt erfolgreicher sind als Männer und aus jedem investierten Euro mehr als doppelt so viel herausholen. Dabei orientieren sich Gründerinnen häufiger an gesellschaftlichen Problemstellungen und achten stärker auf Umsatz und Profitabilität ihrer Unternehmen als auf ein kapitalintensives, schnelles Wachstum (Abouzahr et al 2018).
Viele Investor:innen stellen Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Erfahrung und Wissen von Gründerinnen allein deshalb in Frage, weil sie Frauen seien. Nicht zuletzt fehlen Frauen in Deutschland geeignete Vorbilder und die Vorteile gemischter Teams. Die deutsche Sozialversicherungs- und Steuergesetzgebung, die immer noch auf den alleinigen, zumeist männlichen, Familienernährer zugeschnitten ist, bietet auch wenige Anreize zur Gründung. Letztlich sind viele Frauen auch zurückhaltend mit ihrer Geschäftsidee und verfallen dem Downgrading-Effekt.
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