Zu den größten Herausforderungen von Frauen in und auf dem Weg zu Führungspositionen, sind Geschlechterstereotype, die gerade in der sozialpsychologischen Literatur seit vielen Jahren gut erforscht sind. Stereotype gelten als Bündel vorauseilender Annahmen, die sich auf Fähigkeiten und Kompetenzen beziehen, die im Alltag unvermeidbar und harmlos erscheinen, doch in beruflichen Kontexten Probleme verursachen.
Insgesamt können zwei zentrale Dimensionen der Personenbewertung beschrieben werden: Wärme und Fürsorge auf der einen Seite, Kompetenz und Dominanz auf der anderen. Die Konsistenz der Merkmale Wärme und Kompetenz erklärt die Theorie der sozialen Rollen (Conway et al. 1996).
In verschiedenen Kombinationen führen sie zu bekannten Rollentypen, z. B.
a) Die Karrierefrau (hohe Kompetenz, niedrige Wärme)als neidvolles Substereotyp, das gleichzeitig mit hohem Status gepaart ist (Fiske et al. 2002).
Neisvolle Frauenstereotype stellen aus männlicher Sicht eine Rechtfertigung für die Diskriminierung von Frauen dar: Frauen, die in traditionellen Männerberufen erfolgreich sind, werden beispielsweise als unfaire oder bedrohliche Konkurrentinnen empfunden; die Zuschreibung der emotionalen Kälte verstärkt diese Einschätzung (Eckes 2010).
b) Die Hausfrau (niedrige Kompetenz, hohe Wärme), was das gegenüberliegende Substereotyp mit niedrigem Status darstellt.
Durch paternalistische Substereotype werden Frauen dazu gebracht, in traditionellen Geschlechterrollen zu verharren. Da Männer Frauen hierdurch scheinbar in ein positives Licht stellen, können sie sich als relativ unbeeinflusst von Sexismus empfinden und gleichzeitig bestehende Machtverhältnisse unangetastet lassen (Eckes 2010).
Die Auswirkungen dieser und anderer Spielarten werden von den meisten Organisationen im Arbeitsalltag drastisch unterschätzt. Menschen schließen allerdings von beobachteten Rollenverhalten direkt auf Eigenschaften der Rolleninhaberinnen, ohne zu bedenken, dass ihr Verhalten oft auf Rollenerwartungen zurückzuführen ist und nicht auf persönliche Eigenschaften. Auch selbsterfüllende Prophezeiungen spielen eine Rolle. Wird von einer Chefin erwartet, dass sie sich für klassisch weiblich konnotierte Themen wie Teambuilding oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzt, ist es auch wahrscheinlicher, dass sie dies tatsächlich tun wird. Durch Geschlechterstereotype, die Männern vorschreiben, durchsetzungsfähig zu sein, während Frauen bescheiden agieren, wird das bestehende System am Leben erhalten: Männer erhalten soziale Unterstützung für Verhaltensweisen, die ihren Status und ihre Kompetenz unterstreichen, Frauen dagegen müssen mit sozialen Sanktionen rechnen, wenn sie sich aufdringlich verhalten. Frauen haben somit zwar leichteren Zugang zu typisch „männlichen“ Bereichen als umgekehrt, nehmen diese Chancen allerdings zu selten wahr und bleiben rollenkonform, um negative Konsequenzen, wie Gruppenausschluss oder üble Nachrede zu vermeiden.
Gerade Personen, denen Status besonders wichtig ist, sind am anfälligsten für Leistungseinbußen durch Stereotypenbedrohung. Es beansprucht ihre gesamte Aufmerksamkeit, das Stereotyp nicht bestätigen zu wollen. Diese erhöhte Aufmerksamkeit verringert jedoch die Kapazität ihres Arbeitsgedächtnisses, die dann nicht mehr zur Verfügung steht, um an komplexen kognitiven Aufgaben zu arbeiten.
Männer sind der Boss, Frauen sind bossy
Während Männer von ihrer Kompetenz profitieren – unabhängig davon, ob sie gemocht werden oder nicht – müssen Frauen gemocht werden, um aus ihrem Wissen zu schöpfen. Erfolg und Sympathie korrelieren bei Männern positiv, bei Frauen negativ; und das schon, wenn sie nur besonders qualifiziert ist.
Steigen Frauen in ihrer Karriere auf, bedeutet dies rollenbedingt meist weniger Gemeinschaftsorientierung, was sich entgegen des weiblichen Geschlechterstereotyps verhält. Das führt zu Irritationen bei beiden Geschlechtern: Als „weibliche Missgunst“ tituliert, schaffen diese Reaktionen den Nährboden für männlich dominierte Machtstrukturen (vgl. Journalistin Caroline Rosales 2018 in ZEIT online).
Weibliche Vorgesetzte werden daher häufig von beiden Geschlechtern als „bossy“, „bisig“ oder „eiskalt“ beschrieben. Gerade das Wort bossy ist ein spannendes sprachliches Phänomen, da hier dieselbe Verhaltensweise, also weibliche und männliche Stärke, unterschiedlich bewertet wird, je nachdem, ob Männer oder Frauen sie ausüben. Bei Männern wird der beschriebene Sachverhalt zur glaubhaften Rolle (er ist Boss), bei Frauen wird er – wie das Adjektiv anzeigt – zum bloßen Verhalten degradiert (sie ist bossy).
Auch die McKinsey-Studie Women in the Workplace hat treffend das Problem beschrieben, dass viele Frauen in Führung die Erfahrung machen, buchstäblich „die einzige“ Frau im Team zu sein – bei Frauen im oberen Management und in technischen Funktionen ist das doppelt so häufig der Fall wie in anderen Funktionen. Ihr Umfeld leidet somit an einer Anpassungsstörung, die jedoch auch vom Individuum selbst ausgehen kann. Wird klassisches männliches Führungsverhalten unreflektiert kopiert, um eine eigene Führungsrolle zu schaffen, führt dies zur Überkompensation durch besonders hervorgehobene Stärke und damit zu Unzufriedenheit im Team.
Working Mums sind weniger ambitioniert (die Haufrau)
Belastungsdruck, Überforderung und Ausgrenzung sind arbeitstätigen Müttern von Bedeutung. 40 % bekommen nach dem Wiedereinstieg (nach Familienphase) unpassende Stellen, für die sie überqualifiziert sind. Dahinter verbirgt sich das Denkmuster, Frauen mit Kindern seien weniger ambitioniert und fixierten sich ausschließlich auf ihren Nachwuchs. Dieses Stereotyp der „warmherzigen, aber beruflich inkompetenten Mutter“ setzt eine Unzahl von Frauen in Führungspositionen unter Druck. Zudem geht für Frauen bislang jede Art von Familiengründung mit einer Abnahme des Einkommens einher, das sich durch niedrigere Renten bis ins Alter auswirkt. Weiterhin werden die Begriffe „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ häufiger im Kontext Frau verwendet.
Es kommt also darauf an, diese Denkmuster in den richtigen Momenten angemessen aufzubrechen. Weicht eine Situation vom bisherigen, männlich geprägten Wissen um Führung ab, stellt dies das etablierte Kategoriensystem infrage. Menschen reagieren darauf häufig mit Unsicherheit und/oder Ablehnung. Je nachdem, wie groß die persönliche Bereitschaft ist, hier Neuartigkeit zu akzeptieren (Ambiguitätstoleranz), können neue Führungspersonen oder -methoden schneller akzeptiert werden. Derzeit zeigt sich ein Trend, dass Frauen an die Spitze kommen, wenn Männer ein Unternehmen wirtschaftlich ruiniert haben oder kein männlicher Bewerber das Risiko übernehmen will (vgl. Martina Merz, Thyssen sowie Clothilde Delbos, Renault).