Zum Begriff Führung und Geschlechterstereotypen
Der Begriff Führung ist im Deutschen historisch negativ belegt und vielfach ideologisch umkämpft. Mit Führung im Allgemeinen werden typische Eigenschaften wie Dominanz und Selbstsicherheit assoziiert, die meist Männern zugeschrieben werden. Das Gabler Wirtschaftslexikon (2018) fasst definiert Leadership als „beeinflussend, motivierend“ und verbindet es demnach mit weichen Faktoren wie Unternehmenskultur, Kommunikation und Motivation. Das Wort Manager wird mit Vorstand oder Leitungsfunktion assoziiert, Führungskraft hingegen mit Coaching, Personalentwicklung und Persönlichkeitsentwicklung. Neben dieser strukturellen, begrifflichen Abgrenzung ist auch eine temporale Unterteilung zielführend. Die Zeiten des klassisch-autoritären, männlichen Managements sind vorüber. In der disruptiven Arbeitsumgebung gewinnen demokratisch und organisch anmutende Konzepte von Leadership an Bedeutung, um einen produktiven Umgang mit der steigenden Unsicherheit in Organisationssystemen und dem allgemeinen Wunsch nach Mitspracherecht (das eher dem weiblichen Pol entspricht) gerecht zu werden.
In komplexen Systemen wie unserer Wirtschaftswelt setzen sich neue Muster nur langsam durch. Mit dem Durchbruch eines neuen Leadership-Konzepts geht zunehmend eine Infragestellung der bisherigen Managementmethodik einher. Starre Strukturen brechen auf und werden zunehmend agiler. Gerade der Einsatz von weiblichen Führungskräften wird in diversen Bereichen als vorteilhaft beschrieben:
• Frauen meistern Teamkoordination: Mit steigenden Teamgrößen, Internationalität und Diversität steigen auch die Koordinationsherausforderungen für Führungskräfte. Weibliche Führungskräfte haben ein hohes Potenzial diese solide zu bewältigen, indem sie kooperatives Lernen und einen stärkeren Zusammenhalt im Team fördern, wie in einer Studie von Saba Software offensichtlich wird. Während Männern eine karrierezentrierte Motivation bescheinigt wird, tendieren Frauen zu einem ganzheitlichen, selbstkritischen Ansatz. Dies bestätigt eine 30-jährige Langzeit-Studie des Harvard Business Review (2012), die Führungsqualitäten von Männern und Frauen anhand von 16 Kompetenzen verglich. Frauen schnitten besser darin ab, Beziehungen aufzubauen, andere zu inspirieren und zu motivieren.
• Frauen beherrschen beziehungsorientierte Kommunikation: Frauen schneiden in (Verhandlungs-) Gesprächen im Bereich „Gesprächsqualität“ insgesamt besser ab, da sie weniger hierarchie- und statusbasierte Kommunikation nutzen, stärker auf das Gegenüber eingehen und taktische Informationssilos weniger einsetzen. Frauen wurden darüber hinaus als deutlich höflicher und diplomatischer eingestuft. Diese kooperativen und integrativen Fähigkeiten sind wertvolle soziale Eigenschaften, um die kooperative Ebene besonders in langfristigen Geschäftsbeziehungen herzustellen.
• Frauen verknüpfen Lebensbereiche besser miteinander: Das Kieler Institut für Weltwirtschaft befand in einer Studie innerhalb der G-20-Staaten (4900 Befragte, 31 Länder), dass die Digitalisierung den Gender-Equality-Prozess beschleunigt und bessere Chancen für weibliche Führungskräfte bietet, da diese stärker den Zugang zum Arbeitsmarkt auf digitalen Plattformen nutzten. Gleichzeitig waren sie versierter in ihrer Selbstorganisation (Müttern wurde u. a. die „Chaos-Kompetenz“ zugeschrieben) und betrieben besseres Grenzmanagement innerhalb ihrer Lebensbereiche. Sie identifizierten sich nicht nur mit ihrer beruflichen Rolle und waren offener für flexible Arbeits- und Zeitmodelle.
Auch diese Befunde untermauern Kooperationskompetenzen im Sinne von Gemeinschaftsorientierung und Integration als typisch weiblich. Gleichzeitig sind dies wichtige Eigenschaften der transformationalen Führung, die sich im Wesentlichen durch vier Komponenten auszeichnet:
• Inspirierende Motivierung (durch Visionen)
• Idealisierte Einflussnahme (Vorbild sein)
• Intellektuelle Stimulierung (zu kreativem und innovativem Denken anregen)
• Individuelle Unterstützung (auf individuelle Bedürfnisse eingehen und die/den Einzelne:n fördern)
Wirtschaftlicher Erfolg durch (Geschlechter-) gemischte Führung
Der langfristig höhere Erfolg von diversen Teams ist in vielen Studien diskutiert worden. Als Vorteile diverser Teams werden etwa Perspektivenvielfalt, Erhöhung der kollektiven Intelligenz und hohe Innovations- und Veränderungskompetenz angeführt. (Geschlechter-) Diversität auf der Führungsebene verbessert die Leistung eines Unternehmens. Die McKinsey-Studie Delivering through Diversity (2018) führte an, dass vor allem das Element „Frauen in der Geschäftsführung“ ein signifikanter Einflussfaktor für den Unternehmenserfolg bei ihren 1007 analysierten Unternehmen aus 12 Ländern war. Das Viertel der Unternehmen mit den meisten Frauen im Vorstand war mit einer Wahrscheinlichkeit von 21 % profitabler und von 27 % besser in der Wertentwicklung als der Durchschnitt. Bei den Unternehmen mit der besten Performance arbeiteten zudem mehr Frauen in ertragsgenerierenden als in unterstützenden Funktionen.
Auch die Wirtschaftsprüfung KPMG führte 2019 eine vergleichende Analyse von Familienunternehmen in den Metropolregionen Rhein-Neckar und Stuttgart durch. Sie stellte fest, dass die Gesamtkapitalrentabilität über einen Zeitraum von 18 Jahren bei denjenigen Unternehmen am höchsten war (8 %), deren Geschäftsführung rein aus Frauen bestand. KPMG interpretierte diese Tatsache so, dass Frauen in Führungspositionen ein größeres Humankapital mitbrächten (bessere Ausbildung und mehr Berufserfahrung) und dass sie mehr Druck verspürten, überproportionales Engagement zu beweisen. Jan Riepe und Philip Yang von der Universität Tübingen fanden 2019 heraus, dass Unternehmen in Norwegen, in denen bereits 2006 eine Frauenquote von 40 % in Leitungsgremien eingeführt worden war, ihre Risiken besser senken und nachhaltigen Erfolg sicherstellen.
Das Institut zur Zukunft der Arbeit (2018) unterstellt geschlechtergemischten Teams einen gewissenhafteren und effizienteren Arbeitsstil. Somit steigt auch die Innovationsfähigkeit. In diversen (Führungs-) Teams wagen Menschen schneller und eher, etwas oder sich zu verändern, als in Teams, in denen alle gleich sind.
Die Technische Hochschule Mittelhessen führte eine Befragung von 10.000 Führungspersonen durch und identifizierte fünf Faktoren erfolgreicher Führung (2018):
• Aufmerksamkeitssteuerung
• Selbstvertrauen
• Vorausschauende Planung
• Selbstdisziplin
• Emotionsmanagement