Gleichberechtigung - ein Kampf, der noch lange nicht ausgekämpft ist
Politische Power ist in Hannover zusammen gekommen - weibliche politische Kraft! Der internationale Frauentag 2022 stand unter dem Motto: „Frauen in die Parlamente! Parité ist das Ziel“
Dr. Gabriele Andretta, Anne-Marie Descôtes und Daniela Behrens, ihresgleichen Präsidentin des niedersächsischen Landtags, Botschafterin der Französischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland und niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung bildeten ein schlagkräftiges Paket an politischer Kraft. Jede Einzelne stellte im Impulsvortrag ihre Sicht auf die Situation von Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik dar. Überschattet wurde der Weltfrauentag in Hannover von den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine, die schnell die Frage aufkommen ließ, ob im Angesicht eines Krieges in Europa die Forderungen nach Gleichberechtigung überhaupt Relevanz haben können.
Gleichberechtigung - in keinem Bereich gibt es die 50%
Obwohl sich an diesem Abend so machtvolle Frauen zusammengefunden haben, entsprach dies nicht den durchschnittlichen Zahlen, die in Politik und Wirtschaft zu messen sind. So sind in den Parlamenten (alle Bundesländer und Bundestag zusammen genommen) nur ein knappes Drittel der Abgeordneten Frauen. Der Anteil weiblicher Beteiligung am politischen Geschehen sinkt von Bundes- und Landes- zur Kommunalpolitik. In Letzterer sind nur knapp ein Viertel der Politikmachenden tatsächlich Macherinnen!
Schaut man in die Wirtschaft, zeichnen sich fast identische Zahlen ab: Etwa ein Drittel der Firmenneugründungen sind von Unternehmerinnen angemeldet. In Führungspositionen (mittleres und oberes Management) sieht es dementsprechend dünn aus. So waren vor zwei Jahren (2020) nur rund 28 % der Führungspositionen von Frauen besetzt. Deutschland liegt mit dieser Zahl im unteren Drittel aller Staaten der europäischen Gemeinschaft.
Gleichberechtigung auf dem Papier, aber nicht in der Praxis
Schnell wurde klar: Gleichberechtigung ist in der alltäglichen Praxis noch nicht angekommen. Gerade die letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass die deutsche, aber auch die westeuropäische, Gleichstellung von Mann und Frau nicht so funktioniert, wie dies geglaubt oder propagiert wurde.
Gleichberechtigung funktioniert nicht durch Freiwilligkeit. Eine der Politikerinnen formuliert treffend: „Freiwilligkeit ist ein Mythos - freiwillig passiert gar nichts!“
Die Quote als Katalysator für Gleichberechtigung
Gerade in der Politik zeigt sich die Wirksamkeit einer Quote. So berichtete sowohl Dr. Gabriele Andretta als auch Anne-Marie Descôtes, dass nur Sanktionen und Quoten den Anteil der Frauen in der Politik vorangebracht haben.
In Frankreich müssen Parteien hohe Strafen zahlen, wenn der Anteil aufgestellter Frauen nicht der Parität entspricht. So sieht die Ergänzung der französischen Verfassung vor, dass Parteien und politische Gruppierungen zur Anwendung dieses Prinzips beitragen. In der Praxis heißt dies, dass Parteien ihre Kandidaten durch einen strikten Wechsel zwischen Frau und Mann „auffüllen“ müssen. Die Listen, die die vorgeschriebene Parität nicht respektieren, werden nicht registriert und damit nicht zugelassen. In Deutschland wurden in Thüringen und Brandenburg Vorstöße der Landesparlamente vom Verfassungsgericht abgelehnt.
Gleichberechtigung: So alt und doch immer neu
Das Thema der Gleichberechtigung ist alt. Seit 111 Jahren gibt es inzwischen den internationalen Frauentag. Der Blick in den Alltag zeigt aber sehr schnell, dass Gleichberechtigung brandaktuell ist. Die vergangenen zwei Jahre haben durch die Coronakrise den „Tarnmantel“ des „es funktioniert doch alles super“ weggenommen und die ungleiche Verteilung von Sorge-Arbeit, aber auch der hohe Anteil an häuslicher Gewalt wird drastisch sichtbar. So sind Frauen zwar dem Gesetz nach gleichgestellt. Die Realität zeigt aber andere Bilder. Altersarmut, Femizide, Teilzeitarbeit: Das sind nur wenige Bereiche, in denen diese Ungleichheit direkt sichtbar wird.
Podiumsdiskussion zur politischen Gleichstellung mit Landtagspräsidentin Andretta, Ministerin Behrens, Botschafterin Anne-Marie Descôtes und der Vorsitzenden des Landesfrauenrats Niedersachsen e. V. Marion Övermöhle-Mühlbach.
Gleichberechtigung: Eine neue, friedvollere Welt durch stärkere politische Beteiligung
Unbesehen von dem, was in Sachen Gleichberechtigung noch erreicht werden muss, ist in den letzten Jahren viel passiert. Nach einer Bundeskanzlerin und der inzwischen dritten Verteidigungsministerin zeigt sich die neue Bundesregierung mit der ersten Außenministerin und der ersten Innenministerin. Die Ampelkoalition hat erreicht, was viele Regierungen zuvor (egal, ob auf Landes- oder Bundesebene) nicht geschafft haben. Gleich viele Frauen in Ministerämtern. Frauen, die jeden Tag sehr gute politische Arbeit machen!
Ein Thema, das während der Veranstaltung ebenfalls genannt wurde, ist der Umgang der Medien mit Frauen in hohen politischen Ämtern. So sprach man bis vor Kurzem Annalena Baerbock ihre Kompetenzen als Außenministerin ab. Doch die tägliche Realität zeigt: Sie macht ihren Job gut - verdammt gut sogar. Das wird inzwischen anerkannt. Aber warum spricht man auch noch im Jahr 2022 Frauen die Fähigkeit zur Führung ab? Eine neutrale Beurteilung der geleisteten Arbeit wäre hier ein Zeichen von Gleichberechtigung. In der Theorie wertvoll, in der Praxis nicht gegeben. Die neue Ausrichtung der Politik gibt allerdings Hoffnung auf eine möglicherweise friedvollere Welt, als wir diese im Moment sehen.
Gleichberechtigung: Dein Part!
Wir brauchen mehr Frauen in der Politik, in der Wirtschaft, in Führungspositionen, ...!
Das kann nicht oft genug betont werden. Niedersachsen hat 2019 das Mentoring-Programm „Frauen. Macht. Demokratie.“ eingeführt - mit dem Ziel, mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu gewinnen. Und obwohl der Zuwachs weiblicher Politikerinnen in den Parlamenten voranzugehen scheint, verzeichnen die Kommunen eine Steigerung von lediglich 4,8 % (Kreiswahlen 2021).
Doch nur, wenn sich Frauen auch um politische Ämter bewerben, kann der Anteil in (hoffentlich naher) Zukunft auf 50 % steigen. Es heißt also für uns Frauen, ins Tun zu kommen. Unsere Stimmen zu erheben für die Dinge, die uns wichtig sind: z. B. verlässliche Strukturen in Sachen Kinderbetreuung und ein familienfreundliches Klima in Politik und Wirtschaft. "Erst wenn ein Anteil von ca. 30 % erreicht ist, verändern sich die Strukturen", so Ministerin Behrens.
Gleichberechtigung: Frau sein heißt politisch sein
Als Abschluss ein Zitat, das unsere Landtagspräsidentin und Schirmherrin des BusinessBrillanzTages Dr. Gabriele Andretta sagte: „Frau sein heißt politisch sein“. Und genauso sollte jede von uns ihren Part beitragen. Kommunizieren, was nicht passt, Lösungsvorschläge anbieten und so lange penetrant immer wieder über diese und weitere Themen, wie z. B. auch Women Empowerment, zu sprechen, bis den Worten endlich Taten folgen!
Hoffen wir, dass wir bis zum Internationalen Frauentag 2023 den Anteil an Frauen in Politik, Wirtschaft und Führung deutlich steigern können!